Nach Afrika ist’s gar nicht weit
Die Abtei Schweiklberg hat die bedeutendste Afrika-Sammlung im südwestdeutschen Raum
Urlaub auf Balkonien - dahoam is a schee:
Schweiklberg. „Hakuna Matata - es gibt keine Probleme“ besänftigt das aus dem „König der Löwen“ bekannte Suaheli-Sprichwort in allen kritischen Lebenslagen. Und mit dieser motivierenden, beruhigenden Aussicht kann man auch an einem schönen Sommertag einen Ausflug nach Afrika angehen. Noch nicht mal Flug buchen, Koffer packen und Impfungen über sich ergehen lassen muss man, um in Kultur und Kunst des schwarzen Kontinents zu landen. Unglaublicherweise ist das Ziel viel näher, als man glauben möchte - sogar mit dem Radl von Osterhofen aus bequem erreichbar.
Entspannt rollt man durch niederbayrische Idylle zwischen grünen Wiesen und Feldern, durch Wallerdorf und Walchsing. Entdeckt hier eine lustige Lüftlmalerei, atmet dort tief den Duft einer Blütenexplosion in einem Hausgärtchen ein und erreicht schließlich den Vilshofener Stadtrand. Nur noch ein paar Meter hochgestrampelt auf dem breiten Weg zur Abtei Schweiklberg und ihre hochaufragenden Jugendstiltürme begrüßen den „Fernreisenden“.
Die Benediktiner der Kongregation St. Ottilien haben ihr Leben der Dreifaltigkeit im Allgemeinen -wie die goldenen Schrift hoch über dem Eingangsportal verkündet - und der Mission im Besonderen gewidmet. Der weltweiten Verbreitung des christlichen Glaubens also, wobei sich die Mönche des Klosters neben Südamerika und Asien vornehmlich in Afrika auf den Weg machten, das Gotteswort zu verkünden. Und von dort stammen auch die „Grundsteine“ der inzwischen circa 800 Exponate, die den Besucher in der ehemaligen Seminarkapelle mit großer Vielfalt faszinieren. An und zwischen Wänden in warmen Erdtönen, unter sanfter aber äußerst effektiver Beleuchtung vermitteln aussagestarke Objekte einen faszinierenden Eindruck in fremde Kulturen, die durch unterschiedlichstes Kunsthandwerk charakterisiert werden.
„Mitbringsel“ der Missionsbrüder
Über viele Jahrzehnte lockte hier schon ein kleines Missionsmuseum Besucher an, bestückt mit „Mitbringseln“ der Missionsbrüder aus Süd- und Ostafrika. Initiatoren waren anfänglich die Brüder (im weltlichen wie klösterlichen Leben) Schwarz aus Passau und die zuerst überschaubare Sammlung wuchs durch erworbene Aufmerksamkeit von Gönnern und Spendern und auch durch Erwerb aus Privatsammlungen auf derart imposante Größe an Umfang und Bedeutung an, dass das Schwarzafrikamuseum der Abtei heute als bedeutendste Sammlung afrikanischer Kunst und Kultur im südwestdeutschen Raum bezeichnet werden kann. Kopf- und Körpermasken, Schnitzereien aus Ebenholz und Elfenbein, Kriegsutensilien, Schmuck, Kult- und Alltagsgegenstände überwältigen mit opulenter Farb- und Gestaltungsvielfalt und bieten einen atmosphärisch und informativ dichten Einblick in religiöses und weltliches Leben ethnischer Volksgruppen der fernen Kontinente.
Von den Massai, den ostafrikanischen Kriegern von überdurchschnittlicher Körpergröße, hat man ja schon einmal gehört, südafrikanische Zulu und Herero klingen nicht allzu fremd, das Volk der Ashanti aus Ghana ist vielleicht ganz tief im Hinterkopf aus Medienberichten und -sendungen irgendwie hängengeblieben. Bei Ngombe oder Yoruba kommt das völkerkundliche Viertel- bis Halbwissen dann aber schon gewaltig in Schieflage und man lässt sich gespannt ein auf die Erklärungen der informativen Schildchen an den einzelnen Stücken, die kurz, knapp und nachvollziehbar ein bisschen mehr als Allgemeinwissens-Hilfestellung leisten. Man kann sich gar nicht satt sehen an den Präsentationen in Steh- und Liegevitrinen und im freien Raum. Von riesigen Körpermasken bis zu winzigen Goldgewichten, skurrilen Kultgegenständen und -figuren, buntem Perlen- und Muschelschmuck fühlt man sich zu allem hin- und von allem angezogen. Mit faszinierenden Besonderheiten, wie zum Beispiel den Nagelfetischen, hölzernen Figuren, die über und über besteckt mit Nägeln oder anderen Metallteilen unter anderem im Kongogebiet als Garanten für Reichtum, Kriegsglück und Heilung galten.
Eine Serengeti im Kleinen
Wie Götter wurden sie verehrt und von ignoranten Kolonialherren aber dann geringschätzig abgetan und in den Bereich von Aberglaube und Zauberei verbannt. Die moderne Ethnologie hat ihren Stellenwert als Ritualgegenstand im Rahmen des Ahnenkults erkannt - ihre magische Ausstrahlung zumindest ist „unüberfühlbar“. Oder da ist die unübersehbar schwangere personifizierte Fruchtbarkeitsdarstellung, deren stolz vorgestreckten Bauch ein praller Nabel ziert. Die hohle Körperform diente Heilern zur Aufbewahrung von allerlei Kräutern oder auch getrockneten Nabelschnüren. Im kleineren Nebenraum grüßt dann unter anderem ein Konvolut geschnitzter Tierfiguren in der Choreographie einer „Serengeti im Kleinen“, ein letztes Abendmahl mit allesamt dunkelhäutigen Menschen berührt und die fast lebensgroße, tiefschwarze Ebenholzskulptur des Gekreuzigten macht bewegend klar, dass es Jesus auch in „schwarz, gelb und rot“ gibt, in allen Hautfarben und ethnischen Zugehörigkeiten in der Darstellung, und dass keine von ihnen einen Alleinigkeitsanspruch hat. Ton- und Holzarbeiten zeigen die Heilige Familie in peruanischen Künstlerarbeiten und Wandteppiche und Bilder verzaubern durch üppige Farben, fantasievolle Muster und Kreativität.
Zwei Stunden sollte man sich mindestens Zeit nehmen für die außergewöhnliche Reise - es gibt unendlich viel zu bestaunen, zu erfahren und zu spüren. Zum Beispiel, dass die sorgfältig, einfühlsam und kompetent arrangierte Ausstellung mit Respekt und Empathie für anderen Kulturen, deren Mentalität, Religionen und Rituale aufgebaut wurde. Trotz „missionarischen“ Hintergrunds und Ausgangspunkts, oder vielleicht gerade deswegen. In der Erkenntnis, dass alle Menschen gleichen Ursprungs sind, und es letztendlich nur einen einzigen Gott gibt, gleich, wie er dargestellt wird - in der Vorstellung Einzelner oder ganzer Völker. „Hakuna Matata“ brachte es übrigens vor Kurzem unter die ersten zehn Jugendwörter des Jahres und wird in diesem Zusammenhang auch eindeutig als Synonym für „Hallelujah“ benutzt. Und damit schließen sich doch irgendwie Kreis und Zusammenhang zwischen traditionellen afrikanischen, religiösen Riten, ethnischen Glaubens- und Lebensinhalten und denen des Christentums. Wenn man es zulässt. Zulassen und zugestehen sollte man sich nach der Afrikaexkursion auch unbedingt den Genuss von ein oder zwei Stücken hinreißend leckeren Kuchens aus der nicht weniger attraktiven Vitrine des gemütlichen Klostercafés. Und wetten, dass beim Heimradln der ein oder andere „Pata Pata“ vor sich hin summt, oder „Afrika“ oder sonst einen Ohrwurm mit dem Namen des gerade persönlich zumindest in winzigen Teilen entdeckten Kontinents im Titel.
Bericht im "Plattlinger Anzeiger" vom 15.06.2020 von Anne Wölle - Fotos: Manfred Pichler
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