Nachrichten aus der Mission
Schweiklberger Missionsnachrichten Dezember 2014
Liebe Mitbrüder, Freunde und Wohltäter!
Ein neues Kirchenjahr hat begonnen. Keine Sektkorken flogen, keine Leuchtraketen stiegen, keine Knaller lärmten. Wenn die Kirche das Jahr wechselt, ist es anders. 1. Advent: Ein Gottesdienst, der vorbereiten, rüsten wollte für das Weihnachtsfest. Die Lieder, die wir sangen, waren Lieder in Moll. 1. Advent: Eine Zeit der Nachdenklichkeit und Besinnung. Die Silvesternacht ist mit Ritualen auf Welteroberung programmiert. Die Adventszeit ist da ganz anders. Es ist die Zeit der geöffneten Augen, der Ruhe und Einkehr. Da ist eben ein Unterschied, wie die Kirche ihr Jahr beginnt und wie die Welt den Kalender wechselt.
In den letzten Wochen und Monaten, während ich in den USA und Korea weilte, habe ich von P. Damian Milliken aus den Usambarabergen folgenden wunderbaren Brief bekommen, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Ich bin mir sicher, er passt auch gut in die Adventszeit. Er schreibt:
„In einem Schulbetrieb gibt es immer wieder Überraschungen. Da ist der kleine Hussein. Vermutlich hat er Muskelschwund. Er ist in der dritten Klasse unserer kleinen Pfarrschule in Babughai. Täglich bestreitet Hussein seinen Weg von seinem Haus an einem Berghang zur drei Kilometer entfernten Schule. Sein wackliger, stolpernder Gang erweckt Mitleid, aber vor seiner Entschlossenheit zur Schule zu gelangen, muss man staunen. Er ist einfach nicht unterzukriegen. Ich gab ihm ein Paar Stiefel für die Regenzeit, um seine Schuhe zu schonen. Viele Kinder ziehen ihre Schuhe nicht an, sondern tragen sie auf ihren Köpfen, damit sie länger halten. Sie ziehen sie erst an, kurz bevor sie bei der Schule ankommen. Die Modeansprüche im ländlichen Afrika sind zwar nicht sehr hoch, doch selbst mein kleiner Freund Hussein spürte den Puls der modernen Zeit. Er sah, wie einige besser gestellte Männer mit Fahrrädern oder gar mit einem Motorrad zum sonntäglichen Gottesdienst kamen. So wünschte er sich ein Motorrad. All meinen Einwänden zum Trotz beharrte er darauf. Nach monatelangem Quengeln antwortete ich ihm schließlich, ich müsse wissen, von welcher Farbe es sein sollte. Er wollte ein blaues. Dann sagte ich ihm, alle blauen Motorräder seinen ausverkauft, selbst alle blaue Farbe sei aufgebraucht, und man müsse warten, bis die Fabriken wieder blaue Farbe hergestellt hätten. Eine Menge Ausreden hatte ich parat! Zu meiner Bestürzung kam Hussein eines Tages nicht mehr zur Schule, und dabei war er einer der Klassenbesten. Ich dachte zunächst, er sei krank, aber nein, seine Mutter hatte ihren Arbeitsplatz verloren und konnte das Schulgeld von 60 Cent pro Tag nicht mehr leisten. Ich sagte seinem Großvater, er müsse unbedingt Hussein wieder zur Schule schicken. Ich sorge schon für ihn. Mein Freund war überglücklich. Sogar sein Motorrad hatte er darüber vergessen.
In der 3. Klasse gab es auch ein Mädchen, namens Irene. Es lebte mit ihrer verwitweten Mutter und der Großmutter zusammen. Der Vater starb, als sie noch sehr klein war. Sie gehörte zu den Besten in der Klasse. Im Januar erkranke sei an Malaria und fehlte zwei Wochen. Als sie zurückkam, schien sie jegliche Energie verloren zu haben. Doch das ist ein typischer Nebeneffekt von Malaria. Die Mutter sagte, sie sei wieder krank. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich immer mehr. Schließlich ließ die Mutter ausrichten, Irene möchte die Erstkommunion empfangen. Sie empfing sie und die Firmung im Bett. Ihre Augen leuchteten vor Freude. Aber Irene konnte nicht mehr sprechen und antworten. Sie starb, ohne dass man etwas merkte, während ich an ihrem Bett saß. Ihre Beerdigung war etwas ganz Besonderes. Es war ein schulfreier Tag und die Pfarrkirche war so voll, dass man nur noch stehen konnte. Die Schreiner hatten einen schönen kleinen Sarg gemacht, weiß gestrichen wie für eine Braut. Bei uns ist es üblich, wenn einer stirbt, er auf dem Grundstück der Familie begraben wird. Das Feld um das Haus füllte sich nach und nach mit Trauernden, die Schulter an Schulter zwischen den Maisstengeln und den braunen Bohnenpflanzen standen. Da gab es plötzlich einen kleinen Tumult. Irenes älterer Bruder, der gerade von der Schule kam, wollte von seiner Schwester Abschied nehmen. Vorsichtig öffnete man den Sarg. Er starrte zunächst ruhig in das Gesicht seiner Schwester, doch dann wurde er plötzlich von einem stoßartigen Schluchzen ergriffen, dass es ihn nur so schüttelte. Ich barg ihn sorgsam unter meinem Messgewand, bis er sich etwas beruhigt hatte. Die traurigen Schreie der Kinder, das Klagen und Heulen der Frauen, der Gesang des Kirchenchores und die hinabfallende Erde waren herzergreifend. So schnell werde ich diese Beerdigung nicht vergessen.“
Als Nächstes: Einiges Wissenswerte über die Abtei Ndanda im Süden Tanzanias. Im Krankenhaus wurden im letzten Jahr 62329 Patienten ambulant behandelt, stationär 10551, in der Kinderklinik 26062 Kinder unter fünf Jahren. Über 7000 größere oder kleinere Operationen wurden durchgeführt. Im Labor gab es 52333 Untersuchungen. Die Hauptkrankheit ist und bleibt Malaria. Das Krankenhaus behandelte 9000 solche Fälle. Auch die Klosterangehörigen sind davon nicht ausgenommen. Zur Zahnärztin Sr. Gemma mit ihren Helfer/innen kamen 10316 Menschen. Ein großes Problem ist bis heute die Bezahlung der Ärzte und Krankenschwestern geblieben. Da Ndanda ein Bezirkskrankenhaus ist, verpflichtete sich die Regierung, die Gehälter der 300 Angestellten zu bezahlen. Leider bis jetzt nur auf dem Papier! - Die Abtei-Mittelschule besuchen an die 400 Kinder. Bei den Zwischenprüfungen landesweit kam die Schule auf den 8. Platz. Das ist eine super Leistung. Immer wieder wird das Kloster um Hilfe für Schulgeld oder um Beihilfe für ein Universitätsstudium gebeten. - In den Werkstätten gehen die Aufträge von außen weiter. Damit ist für die 149 Lehrlinge eine gute Ausbildung gewährleistet. Der staatliche Lehrplan wurde mit 13 Fächern erweitert, wobei neben der Berufsausbildung noch Englisch und Mathematik unterrichtet werden müssen, damit die Lehrlinge mit einem guten Abschluss an einer staatlichen Universität studieren können. - Im November war die Ernte der Cashew-Nüsse. Sie fiel gut aus. Für ein Kilo bekam man 0,40 Cent. - In der Pfarrseelsorge sind die Mitbrüder in fünf Pfarreien der Diözese Mtwara und Lindi tätig. Die Pfarrei Ndanda zählt 14000 Christen. 249 Jugendlichen spendete Bischof Gabriel die Firmung. Pfarrer ist P. Prior, sein Kaplan P. Jorge. Zur Pfarrei gehören zwei große Kindergärten mit etwa 600 Kindern, die von Schweiklberg unterstützt werden. Das Kloster selbst ist um vier Mitbrüder gewachsen. Am 11. Juli konnten vier Diakone zu Priestern geweiht werden. Zur Zeit hat das Kloster fünf Novizen und zwei Kandidaten.
Zu Tanzania gehört auch die Insel Sansibar. Vor 50 Jahren schlossen sich die zwei unabhängigen ostafrikanischen Staaten zusammen. Heute werden die Stimmen, die Unabhängigkeit fordern, immer lauter. Fundamentalistische Gruppen gewinnen Einfluss, und gewaltbereite Mitglieder der Uamsho-Partei verüben Terrorakte. Rund 12 000 Katholiken leben unter den rund 1,2 Millionen Einwohnern Sansibars. „Wir werden unsere Koffer nicht packen“, sagt Bischof Augustine Shao, der weiß, dass ihn jeder Spaziergang durch Stonetown das Leben kosten kann. „Wir bündeln unsere Kräfte und stärken die jungen Leute, die sich für ein friedliches Miteinander mit den Muslimen einsetzen!“ Es sind dann auch überwiegend junge Leute, die am Sonntag zum Gottesdienst kommen. Wachleute stehen vor der Kathedrale St. Joseph Spalier und öffnen Handtaschen. Viele sind Christen, die vom Festland nach Sansibar gekommen waren. Auch das ist ein Dorn im Auge der Uamsho. „Sansibar den Sansibaris“, lautet die schlichte Parole.
„Gott braucht Zeugen, die mit ihrer Glaubensüberzeugung nicht hinterm Berg halten“, schrieb Kardinal Kamphaus einmal. Das gilt nicht bloß für die Christen Sansibars, sondern auch für uns. Ich wünsche uns allen, wir könnten etwas von dem Lob der Hirten in unseren Alltag herüberbringen.
Einen gesegneten Advent und schon heute ein frohes Weihnachtsfest wünscht Ihnen von
ganzem Herzen Ihr dankbarer P. Stephan Raster OSB
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