Liebe Schwestern und Brüder,
was Freundschaft im Leben eines Menschen bedeuten kann, das haben Dichter und Schriftsteller immer wieder zu Papier gebracht. Sie haben vermittelt, dass Freundschaft das Leben beflügelt, dass Freundschaft dem Leben Sinn und Tiefe gibt, dass ein Freund, eine Freundin verlässlich und treu ist und gerade in schweren Zeiten Trost zuspricht. Und vielleicht haben sie das ja auch schon selbst erfahren dürfen, dass die Gegenwart eines Freundes, sein Mitfühlen und an-der-Seite-bleiben wie Licht ist, das Hoffnung und Zuversicht entfacht.
Was Freundschaft im Leben eines Menschen bedeutet, darüber hat uns Aelred von Rievaulx ein sehr schönes Wort hinterlassen. Aelred lebte im Mittelalter und war ein Zisterzienserabt in England. Er hat einmal gesagt: „Es ist kein geringer Trost in diesem Leben, jemanden zu haben, den du in einer innersten Zuneigung heiliger Liebe umarmen und mit dem du eins sein kannst; jemanden, in dem dein Geist ausruhen und dem du deine Seele anvertrauen kannst; mit dem du gern sprichst, weil die Unterredung mit ihm wie ein trostvolles Lied in einer traurigen Welt ist.“
Ein Freund ist ein Stück Heimat, bei ihm fühlt man sich gut aufgehoben, in guten Händen. Wie schön, wenn es solch einen Menschen im Leben gibt.
Ich frage mich jedoch: Wenn nun schon wir Menschen einander so viel Gutes schenken können, wenn wir als Freunde das Leben unserer Freunde bereichern und umgekehrt, wenn wir sie zum Leben ermutigen, weil wir ihnen von Herzen zugetan sind, um wie viel mehr muss das dann von Gott gesagt werden können!
Erinnern sie sich noch an das Wort aus dem Buch der Weisheit? Da hieß es in der ersten Lesung heute: „Herr, du Freund des Lebens.“ Ja, unser Gott ist ein Freund, er ist ein Freund des Lebens. Und weil er ein Freund des Lebens ist, ist er dein und mein Freund und ein Freund der Menschen und all dessen, was er erschaffen hat.
„Herr, du Freund des Lebens“ so dürfen wir ihn ansprechen. Und wir dürfen glauben: Du Freund des Lebens, du hast uns im Blick. Du willst unser Heil. Du willst unser Leben. Du willst ein erfülltes Leben für uns.
Und an dieser Stelle können wir uns einmal fragen, liebe Schwestern und Brüder: Was erfüllt unser Leben? Was gibt meinem Leben Sinn und Inhalt? Wozu bin ich hier auf Erden?
Es gibt viele Wege, die Erfüllung versprechen. Manche davon erweisen sich als Irrwege, manche als Sackgassen. Manche Wege – und das ist tragisch – die führen nicht zum Leben, die führen in den Abgrund. Denn sie dienen nicht dem Leben, sie zerstören es. Wie viele Menschen geraten in den Sog der Drogen und verlieren sich darin, gehen unter und sterben. Wie viele Menschen geraten in die Schuldenfalle, weil sie meinen, mit materiellen Dingen Zufriedenheit zu finden. Wie viele suchen in Spaß und Gaudi ihre Erfüllung und spüren mehr und mehr, wie die innere Leere wächst und das Leben seinen Geschmack verliert. Und wieder andere meinen, dass Geld und Besitz das Glück auf Erden bedeutet.
Dient das dem Leben? Werden wir dadurch reifer, erfüllter, freudiger? Gibt das unserem Leben Tiefe, Fülle, Geborgenheit?
Als Christen glauben wir, dass wir uns an vielen Dingen auf dieser Erde freuen dürfen, wenn alles im rechten Maß bleibt. Aber letzte Vollendung, bleibende Freude, bleibendes Glück – das gibt es erst bei Gott in der Ewigkeit. Hier auf Erde ist vieles Mühe und Plage, ist Sorge und manchmal auch Last. Darum ist es für unser Leben so notwendig, dass wir mit dem in Verbindung bleiben, von dem die Lesung sagt: „Herr, du Freund des Lebens.“
Und dass wir hier sind und miteinander Eucharistie feiern, das ist ja Ausdruck dafür, dass wir unser Herz auf den Freund des Lebens ausrichten und dass wir uns an ihn hängen wie die Kinder an den Vater oder die Mutter. In aller Herzlichkeit und Freude, weil wir einen Vater haben, der es gut mit uns meint, der unser Leben will, der uns im Blick hat und auf uns schaut. Ja, der so gut ist, dass er uns seinen Sohn geschenkt hat: Jesus Christus.
Und durch ihn leuchtet der Freund des Lebens – leuchtet Gott hindurch. Jesu Worte und Taten spiegeln das Herz Gottes, das für uns Menschen schlägt. Und da hat auch ein Zachäus eine Chance. Zachäus, ein Jude, der sich mit der Besatzungsmacht eingelassen hat und oberster Zollpächter ist. Der viel Geld verdient, aber zu den Randgestalten zählt. Kein ehrenwerter Mann, sondern ein ganz besonderer Vogel, zu dem man als ehrenwerter Jude Abstand hält. Vielleicht dachte unser Papst an diese Szene als er sagte, dass wir an die Ränder gehen sollen, zu den Randgestalten. Dass wir die ansehen sollen, die kein Ansehen haben. Jesus hat es getan. Aber er hat den Zachäus nicht nur angeschaut, hat ihm nicht nur Ansehen geschenkt. Er hat ihm seine Würde wieder ins Bewusstsein gerufen: „Weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist.“ Er zieht ihm sozusagen das Gewand seiner Herkunft an, das Gewand des auserwählten Volkes. Er erinnert ihn an seine Herkunft und macht damit deutlich: Erst wenn du wieder im Licht der Gotteskindschaft lebst, entsprichst du deiner Herkunft, deiner Berufung und kommst zum Wesentlichen deines Lebens.
Diese Begegnung mit Jesus Christus verändert das Leben des Zachäus. Natürlich heulen die Frommen auf. Jesus isst mit einem Sünder. Diese Heuler hat es früher schon gegeben und die gibt es heute noch. Lassen wir sie doch heulen, die Heuler und passen wir auf, dass wir nicht dazu gehören. Aber richten wir unser Augenmerk auf die verwandelnde Kraft Jesu Christi. Er bewirkt durch das Eintreten in das Haus des Sünders, er bewirkt durch die Tischgemeinschaft, dass Zachäus umkehrt. Plötzlich denkt er an die Armen und will die Betrogenen entschädigen. Er, der immer nur genommen und gehortet hat – er lässt los und gibt. - Wem der Freund des Lebens begegnet, der wird freundlich und bekommt Freude am Leben und kann gar nicht anders, als dem Leben – gerade auch seiner Nächsten – zu dienen und sich von ihrem Schicksal anrühren zu lassen ein Gedenk des Wortes aus dem Evangelium: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten was verloren ist.“ Er will das Heil aller Menschen. Wir dürfen daran mitwirken. Darum sind wir zu beglückwünschen. Amen.

 

 

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