Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis – LJ A – Mt 25,14-30
Liebe Schwestern und Brüder,
„Mitten wir im Leben sind, mit dem Tod umfangen“ – so beginnt ein Lied, das meist dann gesungen wird, wenn wir einen lieben Menschen zu Grabe tragen, wenn wir ohnmächtig an der Schwelle des Grabes stehen und loslassen müssen. Wir spüren in diesen Momenten sehr deutlich und nicht selten auch sehr schmerzlich, dass wir vergänglich sind, dass unser Leben begrenzt ist, dass unsere Zeit auf Erden bemessen ist. In der Barockzeit haben Künstler nicht selten den Tod als Skelett dargestellt, der in der einen Hand ein Stundenglas hatte, durch das der Sand rieselte. „Mitten wir im Leben sind, mit dem Tod umfangen.“ Das machen uns auch manche Novembertage deutlich: Allerseelen liegt hinter uns, heute ist Volkstrauertag und am kommenden Sonntag begehen wir den Totensonntag. Der November ist durchdrungen von Vergehen, Sterben und Tod. Die Wochen dieses Monats sind durchzogen von einer Schwere, die sich auch auf unser Gemüt auswirken kann. Ja, unsere Seele wird berührt von der sterbenden Natur. Es steht uns nur allzu deutlich vor Augen: „Mitten wir im Leben sind, mit dem Tod umfangen.“
Wohin aber werden wir gehen? Wohin führt unser Weg? Was wird einmal aus mir? Ist es ein Fallen ins Leere? Ist ein Gehen ins Nichts? Ins Dunkel? – Das sind Fragen, die uns zutiefst angehen, die uns berühren und nicht nur uns, sondern auch die, die wir lieben; mit denen wir verbunden sind, die wir im Herzen tragen! – Nochmals: Was wird aus uns? Wohin werden wir gehen? Es geht um das Wohin?
Darauf gibt uns das Evangelium heute eine Antwort und es sagt uns: Auch wenn deine Jahre vergehen. Bedenke: Der Herr wird kommen! Und ER – der Herr ist dein Ziel. Nicht Tod und Vergehen stehen am Ende unserer Tage, sondern der Herr, der auf uns zukommt. Das ist die froh machende Botschaft des heutigen Sonntag. Ja, unser ganzes Leben steht im Licht seines Kommens, seiner Wiederkunft.
Und das bekennen wir immer wieder im Credo: Er wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten.“
Wir haben also eine große Hoffnung, auf die wir zuleben. Das heißt aber nicht, dass wir tatenlos die Hände in den Schoß legen. Ganz im Gegenteil!
Besinnen wir uns noch einmal auf das Evangelium und denken wir an die Diener, von denen die Rede ist. Sie sagen uns: Mensch, du kannst alles gewinnen, du kannst aber auch alles verlieren.
Eigentlich ist es verrückt, was da geschieht. Da übergibt ein Mann seinen Dienern das ganze Vermögen, sein ganzes Geld. Er vertraut ihnen so sehr, dass er alles in ihre Hände legt. Und das ist das Entscheidende: Er schenkt ihnen totales Vertrauen. - Hier habt ihr alles. Macht was draus! Und was passiert da? Zwei Diener spüren dieses Vertrauen ihres Herrn, sie lassen sich darauf ein, sie riskieren was, ja sie riskieren den ganzen Betrag, geben vollen Einsatz, setzten alles auf’s Spiel – und sie gewinnen: „Geh ein in die Freude deines Herrn!“
Aber schauen wir uns auch den dritten Diener an. Er ist in diesem Abschnitt des Evangeliums wohl die tragische Gestalt. Und was tut er? Er versteckt das Geld. Er macht nichts damit, sondern gräbt ein Loch und legt es hinein. Dort kann es kein Mensch finden und stehlen und die Bank kann es nicht in den Sand setzen. Es geschieht aber auch nichts. Es passiert nichts. Und wo ich alles vergrabe und nichts tue, da kann nichts blühen, da kann nichts wachsen, da rührt sich nichts, da ist alles tot! Und die Ursache dafür - bei diesem Diener heißt sie: Angst! Ja, er hat Angst. Und das können wir vielleicht nachfühlen, was es bedeutet, wenn wir Angst haben!
Und doch steht da eines, das wir sehr klar im Blick haben dürfen: Der Mann vertraut seinen Dienern und gibt jedem nach seinen Fähigkeiten – nach dem Motto: Vergiss eines nicht, ich vertraue dir. Und er will damit sagen: mit diesem Vertrauen will ich dich stark machen, mit diesem Vertrauen rufe ich dir zu: Vertrau auch du deinen Talenten, du kannst was. Auch du bist mit dem, was du hast und was du kannst, wertvoll und wichtig. Trau Dich! Trau dir was zu!
Und da passiert das Tragische: Anstatt sich zu freuen, anstatt sich auf das Vertrauen des Herrn einzulassen, beherrscht ihn die Angst, und die lähmt und blockiert. Es kann nichts wagen.
Liebe Schwestern und Brüder, es geht nicht darum, uns einzuschüchtern, uns Angst einzujagen nach dem Motto: Am Ende landest Du doch in der Finsternis. Oder: Gott – der wird am Ende der Tage das Rechnungsbuch aufschlagen und dann bekommt ihr nach Strich und Faden die Leviten gelesen, dass euch Hören und Sehen vergeht.
Steht nicht auch für uns geschrieben, was für die Diener geschrieben steht: Der Mann vertraute ihnen, der Mann vertraute ihnen alles an. Steht nicht auch für uns, dass Gott tiefes Vertrauen zu uns hat? Natürlich ist unser Leben nicht total glatt gelaufen. Wer kann das schon von sich behaupten? Aber haben wir nicht auch in so manch schwerer Stunde unser Vertrauen auf Gott gesetzt und haben wir nicht immer wieder versucht aus dem Geiste Christi zu leben und zu han-deln?
Und genau dazu möchte ich sie ermutigen. Vertraut auf den Herrn, legt euer Leben immer wieder in seine Hände und versucht im Auf und Ab des Lebens Licht der Welt und Salz der Erde zu sein. Und wenn das nicht immer gelingt – fangt von Neuem an, steht auf und geht weiter.
Der Jesuit Pierre Teilhard de Chardin hat einmal gesagt: „Für uns ist es wichtiger geworden, uns vor einem Fehltritt in acht zu nehmen, als für Gott etwas zu wagen. Das ist es, was uns umbringt.“
Deshalb: Wuchern wir mit unseren Talenten, setzen wir sie ein und setzten wir unser Vertrauen auf Christus. Amen
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