Liebe Schwestern und Brüder,

April 1994 – wir waren 20 junge Ordenspriester und hatten gerade unsere 2. Dienstprüfung abgeschlossen. Gemeinsam mit unserem Ausbilder machten wir uns auf den Weg ins Heilige Land. Viel Interessantes lag vor uns und im Rückblick kann ich sagen: Es war eine erfüllte Zeit. Und die kam mir wieder in den Sinn, als ich das heutige Evangelium las, das mir gerade ein ganz besonderes Bild vor Augen stellte - die Geburtskirche in Betlehem. Wenn man diese Kirche von Westen her betreten will, dann ist das nur durch einen sehr schmalen und niedrigen Eingang möglich. Man muss sich bücken und sich klein machen, um durchzukommen. Eine der heiligsten Stätten der Christenheit kann nur durch eine kleine, enge, niedrige Türe betreten werden.

“Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen” – so antwortet Jesus auf die Frage: „Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?” Und Jesus gibt auf diese Frage keine direkte Antwort.

ER sagt auch nicht: 10 %, 50%, 80% haben gute Chancen gerettet zu werden. Die anderen nicht. Nein, er gibt keinerlei Anlass zu fruchtlosen Spekulationen.

Worum es Jesus aber geht, das fasst er in einen Appell und er sagt klipp und klar: ”Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.” Wenn wir diesen Appell einmal in uns nachklingen lassen, wenn wir auf Jesu Stimme hören und das an uns heranlassen, was er sagt, steigen dann nicht sehr ernste und wichtige Fragen in uns auf? Fragen, die etwas mit uns zu tun haben! Fragen, die unser Leben berühren und uns angehen! Da höre ich die Frage: Mensch, wofür lebst Du? Worin liegt der Sinn deines Lebens? Wie findest Du Leben in Fülle? Welches Ziel hast Du vor Augen und wie kommst du zu diesem Ziel?

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus will uns mit seinen Worten ermutigen, dass wir uns für das Leben entscheiden. Oder richtiger gesagt: Dass wir uns für den entscheiden, der selbst das Leben ist und der uns in IHM den Weg weist und das Ziel vor Augen führt.

Unser Weg heißt Jesus Christus und auf seine Botschaft gilt es zu hören und diese Botschaft soll immer mehr Gestalt in unserem Leben annehmen. Das heißt mit andern Worten: Dass wir nicht müde werden, Gottsucher zu sein und zu bleiben, auch wenn wir uns dabei bücken und klein machen müssen, weil die Türe schmal und eng ist.

Liebe Schwestern und Brüder, halten wir einmal kurz inne und fragen wir uns: Gibt es in meinem Leben diesen Einsatz für Gott, suche ich ihn? Bin ich bereit, durch die enge und schmale Türe zu gehen, weil mich die Sehnsucht nach dem antreibt, der als Verheißung hinter der Türe steht? Weil es in mir das Heimweh nach Gott gibt, nach Ewigkeit und Heimat? Gibt es in mir dieses Rufen des Herzen: “Gott, du mein Gott, dich suche ich; meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib, wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser?” Gibt es in uns diese Sehnsucht? Hören wir sie noch? Oder ist die Stimme bereits erstickt im Vielerlei der Möglichkeiten, im Getriebensein des Alltags durch Termine, Arbeit und Freizeitgestaltung? Geben wir Gott noch die Möglichkeit unseren Seelendurst zu stillen oder laufen wir immer wieder davon, suchen Erfüllung in der Leistung, im Vordergründigen, an der Oberfläche? Das ist eine Gefahr!

Ich möchte aber auch noch auf eine andere Gefahr hinweisen: dass ich nur noch an das Kommende denke und vor lauter Jenseitsträumereien vergesse, hier und heute dem Reich Gottes zu dienen. Nicht selten werden dann die Geschundenen und Entwürdigten, die Armen, Kleinen und Geringen, die Verfolgten und Heimatlosen auf das Jenseits vertröstet und ich entziehe mich der Verantwortung, für die Maßstäbe Gottes im Hier und Heute einzutreten.

Dazu ruft Jesus immer wieder auf: Tätiger Einsatz für das Reich Gottes! Dazu wollte Jesus seine Zuhörer damals ermutigen, und er will es auch heute. Mit dem Bild von der engen Türe möchte er uns nachdenklich stimmen und uns herausfordern, uns aufwecken aus dem Schlaf der Sicherheit. Jesus ruft uns zur Entscheidung und zum Handeln. Und dabei lässt er uns nicht allein!

Gehen wir noch einmal zurück zur Geburtskirche in Bethlehem: Man muss sich ja nicht nur klein machen, wenn man in die Kirche hinein will, sondern auch, wenn man wieder hinaus will. Wenn wir uns diese kleine enge Türe der Geburtskirche Jesu Christi einmal vorstellen, dann kann uns bewusst werden: Nicht nur wir Menschen müssen durch die enge Tür.

Gott selbst ist es, der vorher durch eine enge Tür gehen musste, um bei uns Menschen anzukommen. Das jedenfalls hat er geschafft: ER ist bei uns angekommen; er ist in Betlehem Mensch geworden.

Und seither klopft er an die Türen unserer Herzen, bittet um Einlass. Und er klopft bei Dir und bei mir!

Ob wir ihn einlassen? Ob wir ihn willkommen heißen und uns von ihm führen und leiten lassen? Oder scheuen wir uns, weil er dafür bekannt ist, die Inneneinrichtung auf den Kopf zu stellen? Weil er andere Masstäbe hat und von uns etwas abverlangen könnte?

“Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.” Dazu brauchen wir seine Hilfe, seine Unterstützung und Kraft. Dazu brauchen wir immer wieder sein Wort, die heilige Schrift. Dazu brauchen wir seine Vergebung im Sakrament der Beichte. Dazu brauchen wir das Brot vom Himmel: das Sakrament des Altares. Als Speise, die uns tröstet und Heil verheißt; als Speise, die uns zum Guten stärkt und ermutigt, die uns aufrichtet und befähigt in seinem Geiste zu handeln: Gott zu preisen und einander zu dienen, Gott und einander einzulassen, die Türe des Herzens offen zu halten und miteinander das Fest der Gegenwart Gottes zu feiern. Amen.

 

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