Liebe Schwestern und Brüder,
„Der Ton macht die Musik“ – so sagen wir und meinen damit: Wenn uns jemand etwas mitteilen möchte, dann muss er den richtigen Ton finden und nicht zuletzt auch die richtigen Worte. Ansonsten kann es geschehen, dass ein Streit entsteht, dass es Missverständnisse gibt oder vielleicht sogar das Gegenteil von dem eintritt, was mein Gegenüber eigentlich erreichen wollte.
Gewiss, wenn wir es mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, wenn sie wieder etwas ausgefressen haben und wir gerade so richtig in Fahrt gekommen sind, dann kann der Tonfall schon etwas schärfer werden. Und vielleicht sind wir ja im zweiten Anlauf dann so gestimmt, dass aus der Rage, in der wir waren, ein wirklicher Zuspruch wird, der aufbauen möchte, der helfen möchte zu verstehen, warum dieses oder jenes nicht in Ordnung war.
Während meiner Zeit als Erzieher im Internat in St. Ottilien, da fehlten eines abends beim Gebet um 21.00 Uhr zwei meiner Schüler; sie kamen erst morgens um 1.00 Uhr heim. Ich habe auf sie an entsprechender Stelle gewartet und vulkanartig in Empfang genommen. Auch das Gespräch einige Stunden später hat an Klarheit und Deutlichkeit nichts fehlen lassen. Schließlich stand ich als Erzieher mit einem Fuß im Gefängnis.
Anders ist es, wenn ich einem lieben Menschen zu Herzen reden möchte, wenn ich ihm etwas sagen möchte, was in mir brennt und nur für ihn gedacht ist. Dann ist das Gespräch von einem anderen Ton getragen und mein Gegenüber wird sehr deutlich das Wohlwollen spüren, das in den Worten mitschwingt.
Und so ist es auch, wenn Gott zu uns spricht. Manchmal klar und deutlich und mit entsprechender Stimmlage. Und dann wieder wie eine Mutter oder ein Vater, der etwas ganz Wesentliches zu sagen hat und bei dem ich eines ganz deutlich spüre: Der meint es sehr gut mit mir! Ich bin ihm wertvoll!
Und so empfinde ich das auch heute. Da spricht uns Gott zu Herzen in der ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium: „Hört, und ihr werdet leben.“ Ja, Gott ist Leben und er will unser Leben. Ihm geht es darum, dass wir, seine Geschöpfe, leben, lebendig sind. Wir sind ihm wichtig, weshalb er uns gute Worte mit auf den Weg gibt!
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellen kann, die lautet: Sind wir in der Lage zu hören? Sind wir so gesammelt, dass Gottes Wort uns erreichen und berühren kann? Ist unser Herz ein Resonanzboden für das Wort Gottes? Oder sind wir mit unseren Gedanken hier und dort – aber bloß nicht bei uns selber? Auf Gott zu hören, ihn wahrzunehmen, sein Wort zu hören und zu verkosten, es zu erschmecken – das setzt ja voraus, dass es in mir ruhig geworden ist, dass ich schweige, dass ich das Ohr meines Herzens neige und Gottes Wort erlausche.
Liebe Schwestern und Brüder, ich wünsche uns allen, dass wir immer wieder in diese Ruhe kommen und dass wir dabei erfahren, dass unser Gott ein Gott des Lebens ist, des Wohlwollens, der Liebe.
Damit dieses Leben wachsen und gedeihen kann, damit wir unser Leben als Glück erfahren, getragen und gehalten auch in schweren Stunden, dazu ruft uns Gott auf, dass wir seine Gebote wahrnehmen, dass wir sie ernst nehmen und einhalten. Das Volk Israel hat diese Weisungen Gottes als kostbare Gabe angenommen und in der Lesung werden die Gebote Gottes als Weisheit und Bildung verstanden. In unseren Tagen klingt das Wort Gebot oft wie Knechtung oder Entmündigung. Aber Gott will uns ja nicht versklaven, sondern befreien von dem, was nicht unserem Leben, unserem Wachstum dient. Erst dann werden wir blühen und reifen und zur Fülle gelangen, wenn wir ihm immer ähnlicher werden. Und das ist nicht nur im Alten Bund so. Nächste Woche, am Herz-Jesu-Freitag, da beten wir wieder: „Bilde unser Herz nach deinem Herzen.“ Und das sagen wir ja nicht so einfach dahin, weil es halt einmal zum Herz-Jesu-Freitag gehört.
Nein, wenn wir als erwachsene Christen so beten, dann in dem Wissen, dass uns die Herzensbildung von Jesus Christus her nicht entmündigt oder schadet.
Nein, je mehr unser Herz von ihm her geprägt und geformt ist, je inniger wir auf Jesus Christus schauen und unser Herz an sein Herz hängen, umso deutlicher erkennen wir, dass er unserm Leben Sinn und Tiefe verleiht. Und er selbst ist es, der uns heute zuruft: „Hört mir alle zu und begreift, was ich euch sage.“ Ja, spitzt die Ohren, seid hellhörig, es geht um euer Leben, es geht darum, dass ihr immer tiefer erfasst und erkennt, was wesentlich ist. Und da sagt er uns heute: Was von außen in euch hinein kommt, dass macht euch nicht unrein. Aber was aus eurem Herzen kommt, das macht euch unrein, wenn es bösartig ist, wenn es zerstört und nicht aufbaut, wenn es klein macht und nicht zum aufrechten Gang verhilft.
Wie steht es um unser Herz? Was bewegt sich an Bildern und Gedanken in unseren Herzen, liebe Schwestern und Brüder? Trägt unser Herzinneres dazu bei, dieser unserer Welt Gott näher zu bringen? Trägt unser Herzinneres dazu bei, den Menschen in Angst und Verzweiflung ein Licht der Hoffnung anzuzünden, ein Wort der Zuversicht zu schenken, ein Zeichen des Wohlwollens zu geben?
„Hört, und ihr werdet leben.“ Geht auf Gottes Wegen! Und lasst uns alle miteinander nicht müde werden immer wieder um eines zu beten, weil wir seine Kraft brauchen, sein heilendes Wort, seine liebende Gegenwart – lasst uns immer wieder, gerade in Zeiten der inneren Schwäche und Lauheit, lasst uns immer wieder rufen: Bilde unser Herz nach deinem Herzen. Amen.

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